Bindung des Insolvenzverwalters an bestehende Schiedsabreden

Der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherungsgebers ist an eine vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffene Schiedsvereinbarung gebunden, wenn er die Forderung des Sicherungsnehmers nach § 166 Abs. 2 InsO einzieht.

Bindung des Insolvenzverwalters an bestehende Schiedsabreden

Nach den „Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel“ werden alle Streitigkeiten aus den betroffenen Verträgen unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch einen bei einer Deutschen Getreide- und Produktbörse (Warenbörse bzw. Börsenverein) eingerichteten Schiedsgericht entschieden.

Im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall waren diese Einheitsbedingungen in den Vertrag einbezogen worden, die Beklagte hatte gegen die Klage des Insolvenzverwalters ihres Vertragspartners die Einrede des Schiedsvertrags erhoben.

Der Insolvenzverwalter ist an die Schiedsabreden des Insolvenzschuldners gebunden, wenn er vertragliche Rechte geltend macht[1]. Die Schiedsvereinbarung ist weder ein gegenseitiger Vertrag (§ 103 InsO) noch ein Auftrag (§ 114 InsO). Der Verwalter kann daher weder die Erfüllung ablehnen, noch erlischt der Schiedsvertrag durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens[2]. Die Schiedsabrede gilt auch im Feststellungsrechtsstreit[3].

Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Verwalter gemäß § 166 Abs. 2 InsO eine zur Sicherheit abgetretene Forderung einzieht. Schiedsabreden aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfassen zwar nicht solche Rechte des Verwalters, die sich nicht unmittelbar aus dem vom Schuldner geschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der Insolvenzordnung beruhen. Dazu gehört insbesondere die Insolvenzanfechtung[4]. Der Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung[5] folgt nicht aus dem anfechtbar geschlossenen Vertrag, sondern aus einem selbständigen, der Verfügungsgewalt des Schuldners entzogenen Recht des Insolvenzverwalters[6]. Der Schuldner ist an dem materiellen Streitverhältnis der Insolvenzanfechtungsansprüche nicht beteiligt; er kann nicht über sie disponieren[7].

Um derartige Rechte geht es hier jedoch nicht. Nach § 166 Abs. 2 InsO darf der Verwalter Forderungen einziehen oder verwerten, welche der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat. Nur dieses Einziehungsrecht ist dem Verwalter von der Insolvenzordnung besonders verliehen. Es geht insoweit über die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO hinaus, als es nicht eigene Forderungen des Schuldners erfasst, sondern auch solche Forderungen, welche der Schuldner vor der Eröffnung sicherheitshalber abgetreten hat. Der Schuldner selbst hätte dieses Einziehungsrecht nicht. Auf die einzuziehende Forderung als solche, welche der Schiedsabrede unterliegt, wirkt sich das besondere Einziehungsrecht des Verwalters gemäß § 166 Abs. 2 InsO jedoch nicht aus. Eingezogen wird die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete und sicherungshalber abgetretene Forderung. Der Sicherungsnehmer als der Einzelrechtsnachfolger des Schuldners (§ 398 Satz 2 BGB) hätte sich gemäß § 404 BGB die Schiedsabrede entgegenhalten lassen müssen, wenn er versucht hätte, die abgetretene Forderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei den ordentlichen Gerichten einzuklagen[8]. Gleiches gilt für den Verwalter, der gemäß § 166 Abs. 2 InsO anstelle des Sicherungsnehmers die Forderung einzieht. Ebenso wie der Sicherungsnehmer hat er die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geschaffene Rechtslage insoweit hinzunehmen.

Die Beklagte ist vorliegend auch nicht nach § 1 Abs. 2 der „Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel“ gehindert, sich auf die Schiedsabrede zu berufen. Nach dieser Bestimmung bleibt dem Gläubiger das Recht vorbehalten, solche Forderungen, gegen die bis zum Tage der Klageerhebung kein Einwand geltend gemacht wurde, vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. April 2013 – IX ZR 49/12

  1. RGZ 137, 109, 111; BGH, Urteil vom 28.02.1957 – VII ZR 204/56, BGHZ 24, 15, 18; Beschluss vom 29.01.2009 – III ZB 88/07, BGHZ 179, 304 Rn. 11; Wagner, KTS 2010, 39, 41 f[]
  2. BGH, Beschluss vom 20.11.2003 – III ZB 24/03, ZInsO 2004, 88[]
  3. BGH, Beschluss vom 29.01.2009, aaO; Wagner, aaO, S. 44 f[]
  4. BGH, Urteil vom 17.10.1956 – IV ZR 137/56, NJW 1956, 1920, 1921; Beschluss vom 17.01.2008 – III ZB 11/07, ZIP 2008, 478 Rn. 17; vom 30.06.2011 – III ZB 59/10, NZI 2011, 634 Rn. 14[]
  5. § 143 Abs. 1 InsO[]
  6. BGH, Beschluss vom 17.01.2008, aaO; Wagner/Braem, KTS 2009, 242, 245[]
  7. Berger, ZInsO 2009, 1033, 1037; Wagner, KTS 2010, 39, 48[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 02.03.1978 – III ZR 99/76, BGHZ 71, 162, 165 f; vom 02.10.1997 – III ZR 2/96, NJW 1998, 371[]