Schiedsgutachtenvereinbarung in der Nachlassverwaltung

Gemäß § 1822 Nr. 12 BGB bedarf der Vormund der Genehmigung des Familiengerichts zu einem Vergleich oder einem Schiedsvertrag, es sei denn, dass der Gegenstand des Streits oder der Ungewissheit in Geld schätzbar ist und den Wert von 3.000 € nicht übersteigt oder der Vergleich einem schriftlichen oder protokollierten gerichtlichen Vergleichsvorschlag entspricht. Diese Regelung findet entsprechend auf die Nachlassverwaltung gemäß §§ 1960, 1962, 1915 BGB Anwendung. Unter den Begriff des Schiedsvertrages i.S. von § 1822 Nr. 12 BGB fällt nach allgemeiner und zutreffender Auffassung lediglich die Schiedsvereinbarung nach § 1029 ZPO, nicht dagegen die Schiedsgutachtenvereinbarung[1].

Schiedsgutachtenvereinbarung in der Nachlassverwaltung

Der Wortlaut von § 1822 Nr. 12 BGB erfasst lediglich den Schiedsvertrag. Dieser Begriff entspricht demjenigen, der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12 1997[2] in § 1025 ZPO a.F. verwendet wurde. Auch wenn § 1029 ZPO nunmehr den Begriff der Schiedsvereinbarung verwendet, ist allgemein anerkannt, dass unter § 1822 Nr. 12 BGB lediglich schiedsrichterliche Verfahren nach §§ 1025 ff. ZPO fallen[3]. Anhaltspunkte dafür, dass sich durch die Änderung der Begrifflichkeiten in §§ 1025 ff. ZPO a.F., § 1029 ZPO Änderungen im Anwendungsbereich des § 1822 Nr. 12 BGB ergeben haben, bestehen nicht.

Die Einbeziehung einer Schiedsgutachtenvereinbarung in den Anwendungsbereich von § 1822 Nr. 12 BGB scheidet ferner mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Vorschrift aus. Mit dem Erfordernis der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zum Abschluss eines Schiedsvertrages verhindert das Gesetz, dass der Vormund (hier der Nachlasspfleger) unkontrolliert den Rechtsschutz, den der Mündel (hier die unbekannten Erben) bei den staatlichen Gerichten erwarten kann, mit dem möglicherweise riskanteren Verfahren vor dem Schiedsgericht, das nicht an die strengen Vorschriften der Zivilprozessordnung gebunden ist, vertauscht[4]. Hierbei liegt dem Katalog der genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfte nach § 1822 BGB die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass diese tendenziell riskant oder nachteilig sein können[5]. Im Interesse der Rechtssicherheit ist der Kreis der nach §§ 1821, 1822 BGB genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte allerdings formal und nicht nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu bestimmen[6].

Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 1822 Nr. 12 BGB auch auf Schiedsgutachtenvereinbarungen kommt hiernach wegen des grundsätzlichen Unterschieds zwischen einem Schiedsvertrag gemäß § 1025 ZPO a.F. und einer Schiedsgutachtenvereinbarung nicht in Betracht. Der Schiedsvertrag hat die Entscheidung des Rechtsstreits durch außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit stehende Schiedsrichter zum Ziel, während die Schiedsgutachtenabrede lediglich auf die Feststellung einzelner Tatbestandselemente oder gutachterliche Leistungsbestimmungen gerichtet ist[7]. Durch den Schiedsvertrag wird dem Schiedsrichter eine Tätigkeit übertragen, die im ordentlichen Rechtsweg sonst der staatlich bestellte Richter durch Fällung eines Urteils vornimmt. Schiedsgutachten, auf die die §§ 317 ff. BGB Anwendung finden, dienen demgegenüber vor allem dazu, den von den Parteien zwar objektiv bestimmten, aber nur mit einer gewissen Sachkunde feststellbaren Vertragsinhalt zu ermitteln. Es handelt sich insbesondere um privatrechtlich vereinbarte Sachverständigengutachten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die der Klärung oder Feststellung von Tatsachen dienen, etwa zum Wert eines Vermögensgegenstands. Dabei erkennen die Parteien die durch das Gutachten zu treffende Bestimmung bis an die Grenze offenbarer Unrichtigkeit als verbindlich an[8].

Auch ist die Schutzbedürftigkeit eines Mündels im Rahmen eines Schiedsverfahrens nach §§ 1025 ff. ZPO nicht mit derjenigen in einem Schiedsgutachtenverfahren vergleichbar. Zwar mag es vergleichbare Risiken bei der Auswahl der Schiedsrichter, dem einzuhaltenden Verfahren und den Verfahrenskosten geben. Der maßgebliche Unterschied besteht aber darin, dass die staatlichen Gerichte an einen im Verfahren nach §§ 1025 ff. ZPO ergangenen Schiedsspruch grundsätzlich gebunden sind. Eine Aufhebung kann nur unter den Voraussetzungen von § 1059 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO beantragt werden. Hierbei geht es im Wesentlichen um gravierende Verfahrensmängel oder einen Widerspruch zur öffentlichen Ordnung (ordre public). Eine Überprüfung der sachlichen Richtigkeit des Schiedsspruchs durch staatliche Gerichte findet nicht statt[9]. Demgegenüber ersetzt eine Schiedsgutachtenvereinbarung eine Entscheidung des Rechtsstreits durch ein staatliches Gericht nicht. Bindungswirkung kann lediglich im Rahmen der Feststellung einzelner Tatsachen eintreten, wobei die Feststellungen des Inhalts des Gutachtens dann nicht verbindlich sind, wenn sie offenbar unrichtig sind[10]. Im Falle einer Schiedsgutachtenvereinbarung sind staatliche Eingriffs- und Kontrollrechte zugunsten des Mündels mithin in wesentlich stärkerem Umfang gegeben als bei einem gemäß §§ 1025 ff. ZPO ergangenen Schiedsspruch.

Bundesgerichtshof, Beschluss des IV. Zivilsenats vom 18. Dezember 2013 – IV ZR 207/13

  1. Staudinger/Engler, BGB [2004] § 1822 Rn. 155; RGRK-BGB/Dickescheid, 12. Aufl. § 1822 Rn. 54 a.E.; Erman/Saar, BGB 13. Aufl. § 1822 Rn. 32; vgl. ferner MünchKomm-BGB/Wagenitz, 6. Aufl. § 1822 Rn. 70[]
  2. BGBl. I S. 3224[]
  3. MünchKomm-BGB/Wagenitz; Staudinger/Engler aaO Rn. 154[]
  4. Staudinger aaO[]
  5. MünchKomm-BGB/Wagenitz aaO Rn. 1[]
  6. BGH, Urteile vom 22.09.1969 – II ZR 144/68, BGHZ 52, 316, 319; vom 20.09.1962 – II ZR 209/61, BGHZ 38, 26, 28 f.[]
  7. BGH, Urteile vom 26.04.1991 – V ZR 61/90, NJW 1991, 2761 unter – I 1; vom 17.05.1967 – VIII ZR 58/66, BGHZ 48, 25, 27 f.; vom 25.06.1952 – II ZR 104/51, BGHZ 6, 335, 338 f.[]
  8. BGH, Urteil vom 17.01.2013 – III ZR 10/12, NJW 2013, 1296 Rn. 13[]
  9. Zöller/Geimer, ZPO 30. Aufl. § 1059 Rn. 47[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 17.01.2013 – III ZR 10/12, NJW 2013, 1296 Rn. 13[]