Das übergangene obligatorische Schlichtungsverfahren

Dem Erlass eines Anerkenntnisurteils steht die fehlende Durchführung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens vor der Klageerhebung nicht entgegen.

Das übergangene obligatorische Schlichtungsverfahren

Das hier vom Bundesgerichtshof entschiedene Verfahren aus München fällt in den Anwendungsbereich von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG. Danach kann eine Klage vor den Amtsgerichten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist, erst erhoben werden, wenn die Parteien einen Versuch unternommen haben, die Streitigkeit in einem Schlichtungsverfahren gütlich beizulegen. Das Landesrecht macht damit von der Öffnungsklausel in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO Gebrauch. Es enthält eine von Amts wegen zu prüfende besondere Prozessvoraussetzung, die bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen muss[1].

Das Amtsgericht hat gleichwohl ein Anerkenntnisurteil erlassen können, obwohl der Klage kein Schlichtungsverfahren vorausgegangen ist.

Mit einem Anerkenntnis kann der Beklagte zwar über den sachlichrechtlichen Anspruch disponieren. Die Parteien können jedoch grundsätzlich nicht über Prozess- und Rechtsmittelvoraussetzungen verfügen, so dass diese auch im Fall eines Anerkenntnisses von dem Gericht zu prüfen sind[2]. Allerdings kann ein Anerkenntnisurteil ausnahmsweise dann ergehen, wenn eine fehlende Prozessvoraussetzung ihm nach dem Sinn und Zweck des § 307 ZPO nicht entgegensteht.

So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Revisionsbeklagte den gegen ihn geltend gemachten Anspruch, jedenfalls solange der Kläger seine Revision noch nicht begründet hat, durch Erklärung seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten anerkennen kann, obwohl vor dem Bundesgerichtshof nach § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO ein qualifizierter Anwaltszwang besteht[3]. Ebenso kann der Beklagte den Klageanspruch innerhalb laufender Berufungsbegründungsfrist wirksam anerkennen, auch wenn die Berufung nicht mehr begründet und das Rechtsmittel damit unzulässig wird[4]. Darüber hinaus findet § 307 ZPO entsprechende Anwendung, wenn ein Anerkenntnis im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erklärt wird. Dass es in diesem Verfahren nicht um die Korrektur der Entscheidung zur Hauptsache, sondern allein um die Frage geht, ob die Revision zuzulassen ist, steht der Wirksamkeit des Anerkenntnisses nicht entgegen. Trotz des fehlenden Devolutiveffekts hinsichtlich der Hauptsache kann ein Anerkenntnisurteil ergehen[5].

Tragend für diese Entscheidungen ist die Funktion des § 307 ZPO. Aus der Dispositionsmaxime der Parteien folgt, dass soweit diese reicht in jeder Lage des Verfahrens die Möglichkeit bestehen muss, dieses durch Anerkenntnisurteil unmittelbar zu beenden[6]. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, der zur Verfahrensbeschleunigung und Verfahrenserleichterung die Voraussetzungen zum Erlass eines Anerkenntnisurteils durch Abschaffung des Antragserfordernisses[7] und den generellen Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung[8] zunehmend erleichtert hat[9].

Für ein Anerkenntnis, das auf eine ohne vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens erhobene Klage hin erklärt wurde, gilt nichts anderes.

Dem beschriebenen Ziel des § 307 ZPO liefe es zuwider, wenn ein Gericht bei einem wirksam erklärten Anerkenntnis den Beklagten nicht durch ein Anerkenntnisurteil verurteilen könnte, sondern stattdessen die Klage durch ein streitiges Urteil als derzeit unzulässig abweisen und die Parteien auf ein zunächst erforderliches Streitschlichtungsverfahren verweisen müsste.

Für die Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens fehlt in diesem Fall ein Bedürfnis, da der Streit durch die vollumfängliche Anerkennung des Klageanspruchs, mithin durch die Herstellung eines Konsenses der freiwilligen Aufgabe der eigenen Rechtsposition zugunsten des Klägers gerade beigelegt wurde. Das Anerkenntnis enthält das Zugeständnis der Richtigkeit der tatsächlichen Klagebehauptungen und zugleich die Anerkennung, dass sich aus diesen Tatsachen die von dem Kläger behaupteten Rechtsfolgen ableiten lassen, mit denen er seinen Klageanspruch begründet. Das Gericht ist der Prüfung des ihm ursprünglich vorgelegten Streitstoffes enthoben[10]. Insoweit ist die Sachlage mit jener vergleichbar, in der ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wird. Der Abschluss eines Prozessvergleichs setzt nicht voraus, dass das obligatorische Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde. Er ist vielmehr auch dann wirksam, wenn die Klage unzulässig war[11].

Soweit der Beklagte schließlich der Ansicht ist, sein Anerkenntnis sei deshalb nicht wirksam abgegeben worden, weil das Klageverfahren nicht habe durchgeführt werden dürfen, ist dies nach den vorangegangenen Ausführungen nicht zutreffend. Gründe, aus denen die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses folgt, liegen nicht vor.

Als Prozesserklärung ist das Anerkenntnis nur wirksam, wenn es wie hier unbedingt erklärt wird[12] und die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen. Der Erklärende muss also partei, prozess- und postulationsfähig sein. Für die Wirksamkeit des Anerkenntnisses spielt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Rolle, ob ihm eine (eingehende) Erörterung der Sach- und Rechtslage vorausgegangen ist. Die materielle Rechtslage ist für die Wirksamkeit des Anerkenntnisses grundsätzlich unerheblich. Ein Beklagter, der sich einem hinreichend bestimmten Klageantrag ausgesetzt sieht, weiß, welcher Rechtsfolge er sich mit seinem Anerkenntnis unterwirft. Zudem obliegt dem Gericht die Prüfung der Zulässigkeit des Anspruchs, da ein Anerkenntnisurteil nicht ergehen darf, wenn mit ihm ein unmöglicher oder ein gesetzlich verbotener Anspruch zugesprochen würde[13]. Das gewährleistet einen ausreichenden Schutz des An.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Juli 2014 – V ZR 287/13

  1. vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2013 – VI ZR 151/12, VersR 2014, 601 Rn. 4 mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 18.07.2013 – IX ZB 41/12, WM 2013, 1827 Rn. 7; Beschluss vom 10.11.2009 – XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn. 15[]
  3. BGH, Urteil vom 06.05.2014 – X ZR 11/14, NJW-RR 2014, 831 Rn. 7, 8[]
  4. BGH, Beschluss vom 18.07.2013 – IX ZB 41/12, WM 2013, 1827 Rn. 8[]
  5. BGH, Urteil vom 04.03.2010 – XI ZR 228/09, NJW-RR 2010, 783 Rn. 2[]
  6. BGH, Beschluss vom 18.07.2013 – IX ZB 41/12, WM 2013, 1827 Rn. 8 mwN[]
  7. BT-Drs. 14/3750, S. 58 f.[]
  8. BR-Drs. 378/03, S. 8 f.; BT-Drs. 15/3482, S. 17[]
  9. BGH, Urteil vom 06.05.2014 – X ZR 11/14, NJW-RR 2014, 831 Rn. 8 mwN[]
  10. BGH, Urteil vom 06.05.2014 – X ZR 11/14, NJW-RR 2014, 831 Rn. 6; Urteil vom 08.10.1953 – III ZR 206/51, BGHZ 10, 333, 335[]
  11. Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 35. Aufl., § 794 Rn. 9[]
  12. BGH, Urteil vom 19.06.1985 IVb ZR 38/84, NJW 1985, 2713, 2716[]
  13. BGH, Urteil vom 08.10.1953 – III ZR 206/51, BGHZ 10, 333, 335[]