Schiedsvereinbarung mit ausgeklammerten Ansprüchen

Eine Vereinbarung, mit der die Parteien eines Schiedsverfahrens die Klagbarkeit von Ansprüchen im Schiedsverfahren ausgeschlossen haben, berührt nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Entscheidung über die Schiedsklage.

Schiedsvereinbarung mit ausgeklammerten Ansprüchen

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schiedsgutachter bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren Sinne lediglich die für die KlarsteIlung des Vertragsinhalts maßgeblichen Tatsachen zu ermitteln und für die Parteien festzustellen; dagegen obliegt es dem Schiedsgutachter bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im weiteren Sinne, den Vertragsinhalt nach billigem Ermessen rechtsgestaltend zu bestimmen[1].

Im hier entschiedenen Fall hatte in der Vorinstanz das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg Art. 16.02.1 des Schiffsbauvertrags im Ergebnis dahin ausgelegt, dass es sich dabei um eine Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren Sinne handelt[2]. Es hat angenommen, der in Art. 16.02.1 Schiffsbauvertrag zur näheren Bestimmung der vom technischen Sachverständigen verbindlich zu entscheidenden „technischen Streitigkeiten“ verwendete Begriff „claims“ könne zwar die Bedeutung von „Rechtsansprüchen“ haben. Daraus folge aber nicht, dass der technische Sachverständige auch Rechtsfragen entscheiden solle. Die Parteien hätten mit der Formulierung „a […] technical expert who shall act as such (and not as an arbitrator)“ ausdrücklich klargestellt, dass der technische Sachverständige allein in dieser Eigenschaft handeln solle und nicht als Schiedsrichter. Bei verständiger Würdigung der beiderseitigen Interessen sei es auch nicht sinnvoll, einen Sachverständigen, der zwar über technischen, nicht aber über juristischen Sachverstand verfüge, etwa darüber entscheiden zu lassen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mängelansprüchen – wie die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung oder die Unbegründetheit einer Verjährungseinrede – vorliegen. Die Rechtsbeschwerde versucht, diese Auslegung der Schiedsvereinbarung durch ihre abweichende eigene zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler des Oberlandesgerichts aufzuzeigen oder die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde darzulegen.

Auch lässt der Bundesgerichtshof nicht den Einwand gelten, die Auffassung des Oberlandesgerichts, selbst wenn in Art. 16.02.1 Schiffsbauvertrag ein „pactum de non petendo“ zu sehen wäre, stünde dies der Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht entgegen und wäre eine ohne Vorlage des Schiedsgutachtens eingereichte Schiedsklage durch das Schiedsgericht lediglich als verfrüht und damit als zur Zeit unbegründet abzuweisen, widerspreche der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München und begründe daher die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Ein „pactum de non petendo“ kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Entscheidung des Oberlandesgerichts München allerdings die Klagbarkeit von Ansprüchen ausschließen[3]. Das Oberlandesgericht hat jedoch mit Recht angenommen, dass ein „pactum de non petendo“ einem Gericht nicht die Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Klage nimmt, mit der Ansprüche, deren Klagbarkeit die Parteien ausgeschlossen haben, ungeachtet des „pactum de non petendo“ geltend gemacht werden.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat sich mit dieser Annahme nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Oberlandesgerichte gesetzt. Es kommt nicht darauf an, ob eine solche Klage, wie das Oberlandesgericht angenommen hat, „als zur Zeit unbegründet“[4] oder, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, „als zur Zeit unzulässig“[5] abzuweisen ist. Das Hanseatische Oberlandesgericht hatte im vorliegenden Verfahren allein darüber zu entscheiden, ob das Schiedsgericht seine Zuständigkeit in dem Zwischenentscheid mit Recht bejaht hat. Seine Annahme, die in Art. 16.02.1 Schiffsbauvertrag enthaltene Schiedsgutachtenklausel berühre nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, lässt keinen Rechtsfehler erkennen und begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Januar 2016 – I ZB 50/15

  1. BGH, Urteil vom 26.04.1991 – V ZR 61/90, NJW 1991, 2761; Urteil vom 17.01.2013 – III ZR 10/12, NJW 2013, 1296 Rn. 13; Urteil vom 04.07.2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492 Rn. 27 und 33 mwN[]
  2. OLG Hamburg, Beschluss vom 27.05.2015 – 6 Sch 3715[]
  3. zu einem Schiedsgutachtenvertrag vgl. BGH, Urteil vom 26.10.1989 – VII ZR 75/89, NJW 1990, 1231, 1232; zu einer Schlichtungsvereinbarung vgl. BGH, Urteil vom 29.10.2008 – XII ZR 165/06, NJW-RR 2009, 637 Rn.19; zu einer Duldungsvereinbarung vgl. OLG München, Beschluss vom 04.08.2009 – 32 Wx 33/09 17[]
  4. für den Fall, dass die beweispflichtige Partei die rechtserhebliche Tatsache, deren Feststellung dem Schiedsgutachter übertragen ist, nicht durch Vorlage des Schiedsgutachtens nachweist vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1988 – VII ZR 105/87, NJW-RR 1988, 1405; Urteil vom 07.06.2011 – II ZR 186/08, NJW-RR 2011, 1059 Rn. 13[]
  5. für den Fall, dass die klagende Partei vor Klageerhebung nicht wie vereinbart einen Schlichtungsversuch vor einem Schiedsgericht unternommen hat vgl. BGH, NJW-RR 2009, 637 Rn. 17[]